Dornröschen
Dornröschen
Hinter sieben Bergen und sieben Flüssen gab es einmal ein Königreich. Da wohnten ein König und eine Königin. Sie hatten wirklich fast alles, woran sie jemals gedacht hatten, trotzdem waren sie sehr traurig. Es fehlte ihnen der größte Schatz auf der Welt.
Jeden Tag ging die Königin mit gesenktem Haupt durch den Garten und dachte, wie fröhlich es doch wäre mit einem kleinen Kind. Eines Tages wartete am Ende des Gartens am alten Tor eine sehr alte Frau. Ihr Gesicht bestand aus Tausenden Falten, sie ging gebeugt, fast bis zur Erde, aber ihre Augen funkelten lebhaft.
„Ich weiß von Deinen Qualen, Königin,“ sagte die Alte. „Ich helfe Dir, aber Du musst mir versprechen, mich zur Taufe einzuladen, wo nach alter Tradition die Gaben des Kindes bestimmt werden.“ Die Königin war hocherfreut und ihr Gesicht leuchtete. Sofort versprach sie der alten Frau, sie zur Taufpatin zu machen, wenn sie ihr nur helfe. Die Alte gab ihr einen kleinen Becher und sagte: “Geh diesen Weg am Bächlein entlang. Im Wald findest Du seine Quelle, sie besitzt Zauberkraft. Dreimal fülle deinen Becher bis zum Rand und trinke ihn aus. Dann gehe zum Herrn König und erzähle ihm alles!“
Die Königin tat, wie sie die alte Frau geheißen hatte. Und als fast ein Jahr vergangen war, gebar sie ein hübsches kleines Mädchen. Ihr Gesicht war rosafarben, deshalb nannte sie es Dornröschen. Alle im Königreich freuten sich und bereiteten eine prächtige Taufe vor. Zum Fest wurden viele Gäste eingeladen, nur an die uralte Frau dachte niemand mehr. Genau in dem Moment, als das kleine Mädchen getauft werden sollte, erschien die Frau in der Tür und sagte mit eisiger Stimme in die Stille hinein: “Dafür, dass ihr die alten Traditionen vergessen und die weisen Frauen nicht eingeladen habt, verfluche ich euer ganzes Königreich. An ihrem 15. Geburtstag wird Dornröschen sich in den Finger stechen und einschlafen und mit ihr das ganze Königreich. Es wird rundherum eine Hecke von dornigen Rosen um das Reich wachsen. Erlösen kann euch nur ein Junge mit reinem Herzen und voller Liebe.“ Es wurde grabesstill. Die alte Frau verschwand, und nach und nach gingen alle Gäste. Die Tränen der Königin flossen an der Wiege, aber der Fluch war nicht rückgängig zu machen. Der König befahl, im ganzen Schloss alle spitzen Gegenstände zu entfernen.
Die Zeit verging, aus dem kleinen Kind wurde ein schönes Mädchen. Die Eltern rüsteten sich, den 15. Geburtstag ihrer Tochter zu feiern. Dornröschen bemerkte jedoch, dass irgendetwas ihre Eltern bekümmerte: „Warum seid ihr so traurig?“, fragte sie an ihrem Geburtstag. „Wir haben uns nur an etwas erinnert. Mach dir keine Sorgen, aber fass bitte nichts Spitzes an!“, bat die Königin.
Dornröschen hatte Langeweile, so schlenderte sie durch das Schloss, mal hier hin, mal dort hin. Dann kam sie an eine Tür, die zu einem alten Turm führte. Sie war voller Spinnweben, denn schon lange war niemand auf dem Turm gewesen. Röschen entschied, sich den Turm anzusehen, vielleicht gab es dort ja etwas Interessantes. Und wirklich. Als sie eine lange Wendeltreppe nach oben gestiegen war, fand sie eine kleine Kammer, in der eine uralte Frau an der Nähmaschine saß und ein hübsches Kleid nähte. „Was tun Sie hier, Großmütterchen?“, wunderte sich die Prinzessin. „Ich warte auf Dich, Mädchen. Ich habe hier für Dich ein Geschenk zu Deinem 15. Geburtstag. Ich nähe Dir ein Hochzeitskleid. Es ist schon bald fertig!“ sagte die alte Frau. „Darf ich es mal sehen. Es ist ein wunderschönes Kleid“, sagte das Mädchen. „Darf ich auch mal probieren, an der Maschine ein Stück zu nähen?“ „Warum nicht? Komm näher, ich zeige Dir, wie es geht“, spornte die Alte sie an.
Die alte Frau zeigte dem Mädchen, was an der Maschinen zu tun war, und weil Dornröschen geschickt war, ging ihr die Arbeit bald gut von der Hand. Doch beim letzten Stich rutschte ihre Hand ab und sie stach sich mit der Nadel in den Finger. Dann wurde es ganz still. Röschen schlief ein und mit ihr das ganze Königreich.
So erfüllte sich unbarmherzig das Schicksal. Weit um das Schloss herum wuchsen Rosenhecken mit Dornen scharf wie Rasierklingen. Niemand wollte zu diesem Ort gehen. Zudem gab es viele Gerüchte. Dass eine Hexe das Königreich verzaubert hätte, nur weil man ihr zu irgendeinem Fest nichts Ordentliches zu Essen angeboten hätte. Und das ganze Durcheinander sei ausgelöst worden durch das Pedal einer schrecklichen Maschine.
Es vergingen hundert Jahre, bis ein Prinz aus einem fernen Land auf seinem Schimmel in die Gegend geritten kam. Er war ein studierter Botaniker und bemerkte, dass in dieser Gegend wunderschöne Rosen von unterschiedlichstem Aussehen in allen möglichen Farben und in verschiedener Größe wuchsen. Dann traf er eine krumme faltige alte Frau, die eine einzige Rose pflanzte.
„Guten Tag, Großmütterchen. Sind das Ihre Rosen? Ich habe die ganze Welt bereist, aber solche Sorten habe ich noch nie gesehen,“ sagte der Prinz.
„Weißt Du, mein Junge, es gefällt mir, die verschiedensten Rosen zu züchten, sie wachsen hier unter sehr günstigen Bedingungen. Niemand wird die Rose ausreißen.“
„Aber wohnen hier keine Menschen, Großmutter?“, fragte der Prinz.
„Doch, doch, sie haben lange genug geschlafen,“ antwortete die alte Frau. Die Oma ist schon etwas wunderlich, dachte der Prinz und wollte fort reiten.
„Wohin des Wegs, mein Junge? Willst Du Dir nicht meinen Garten ansehen? Ich habe sehr anmutige Rosen. Vielleicht möchtest Du einige mit nach Hause nehmen.“
„Vielen Dank. Und die wollen Sie mir einfach so schenken?“, wunderte sich der Prinz.
„Ich schenke Dir das Wertvollste, wenn Du mir zeigst, dass du es verdienst. Erkennst Du aber die wertvollste Rose nicht, schläfst Du ein“, sagte die Alte mit fester Stimme.
Der Prinz ging durch den Garten der alten Frau und betrachtete jede Rose, bis er das Schloss erreichte. Es war umgeben von Rosen aus Silber, Gold und Edelsteinen, aber keine der Rosen stach ihm besonders ins Auge. Überall schliefen Leute und waren durch nichts zu wecken. Der Prinz beschloss, diesem seltsamen Zauber auf den Grund zu gehen, und so kam er durch alle Zimmer bis an die Tür zum alten Turm. Sie war wie vor hundert Jahren voller Spinnweben, Er stieg die Treppe hinauf, und dort in der kleinen Kammer fand er endlich die Rose, die er suchte. Sie gefiel ihm so sehr, und das ganze Königreich erwachte wieder zu neuem Leben.
Der Prinz und Dornröschen heirateten, und als sie die Hochzeit vorbereiteten, wussten sie, wen sie nicht vergessen durften. Die alte Frau schenkte ihnen zur Hochzeit die besondere Rose, die sie gepflanzt hatte, als der Prinz gekommen war. Sie trug ihnen auf, diese Rose gut zu hüten. Seit dieser Zeit hatte das Königreich eine Rose im Wappen, und bald wurde es der größte und bekannteste Exporteur von Rosen in alle Welt.
die deutsche Übersetzung kommt von Beata und Rü von Hanxleden
Fragen zu Dornröschen
Weißt du, was der größte Schatz für den König und die Königin war?
Wie oft musste die Königin das Zauberwasser trinken?
Weißt du, was eine Taufe ist?
Welche spitzen Gegenstände ließ der König aus dem Schloss entfernen?
Wie viel Mal hatte Dornröschen gefeiert, als sie sich in den Finger stach?
Wie lange hat Dornröschen geschlafen?
Was denkst du, ist ein Botaniker?
Wen vergaßen Prinz und Prinzessin nicht einzuladen?
Zeichne ein Königswappen.
Kennst du das Märchen von Dornröschen anders?