Der mutwillige kleine Drache I
Der mutwillige kleine Drache
Es gab einmal vor langer, langer Zeit ein ganz kleines Königreich. Es war so klein, dass in ihm gerade mal ein paar Dörfchen mit Wiesen und Feldern Platz hatten. Damit es dem König und der Königin nicht so klein vorkam, bauten sie inmitten ihres Königreichs ein schönes großes Schloss mit einem hohen Turm, von dem sie in jeden Winkel ihres Königreichs gucken konnten. Auf die Dauer war ihnen das zu wenig, und sie überlegten, was sie noch Besonderes und Einzigartiges tun könnten.
Eines Tages kam zu ihrer königlichen Mama und zu ihrem königlichen Papa die kleine Tochter Alenka und bat um ein Haustier. Das sollte nicht nur groß, sondern seeeehr groß sein, große Zähne und mächtige Krallen haben und, wenn möglich, auch noch Feuer speien oder so etwas ähnliches. Sie behauptete, dass angeblich die Prinzessinnen aus den benachbarten Königreichen über sie lachten, weil sie aus einem so kleinen Königreich komme. Mit so einem Haustier würden sie sich das nicht mehr trauen. Die königlichen Eltern schüttelten nur mit dem Kopf und wussten nicht ein noch aus, bis der königliche Berater sie unterbrach. Er sehe eine Möglichkeit und wisse von einem geeigneten Tier. Es war erstaunlich, woher er dies wusste. In den benachbarten Königreichen gäbe es nichts Vergleichbares, fuhr er fort, aber es wäre eine wirkliche Rarität und dieser oder jener in der Umgebung wäre vielleicht neidisch. Und als die königliche Familie wissen wollte, um was für ein Tier es sich handelt, versicherte ihnen der Berater, das Tier sei so groß, dass man einen Park mit Start- und Landebahn anlegen müsse, mit einem See, in dem das Tier häufig baden werde, und mit einer sehr, sehr großen Höhle.
„Sie denken doch nicht wirklich an einen Drachen“, entsetzte sich die Königin. Aber der Herr Berater erklärte ihr ausführlich, dass Drachen schon lange nicht mehr das wären, was sie einmal waren. Schon lange fräßen sie keine Prinzessinnen mehr. Im Gegenteil, sie hätten sich zu liebenswerten und zivilisierten Freunden entwickelt. Sie besuchten angeblich die Schule, wo sie nicht nur gutes Benehmen, sondern auch Lesen und Schreiben lernten. Nur mit dem Zählen stünden sie wohl auf Kriegsfuß, besonders die siebenköpfigen Drachen. Wenn sie versuchten zu zählen, wie viele Häupter sie haben, verknäulten sie diese so sehr, dass es schwierig war, sie wieder zu entwirren.
„Übrigens“, fügte der Berater noch hinzu, „ich hörte, der Kaiser vom Reich der untergehenden Sonne hält in seinen Gärten eine siebenköpfige Drachenfrau, selbstverständlich von ausgezeichneter Herkunft, die sieben kleine Drachen geboren hat. Einer von ihnen ist noch zu haben, und, stellen Sie sich vor, zu einem guten Preis!“
„ Ich will diesen Drachen!“ rief die Prinzessin, und so wurde es beschlossen.
Sie schickten eben jenen Berater ins Reich der untergehenden Sonne. Die Reise dorthin dauerte fast ein Jahr, dafür brauchte er für die Rückkehr auf dem Drachen nicht mal einen halben Tag. Im Königreich selbst wählten sie für den Park Wiesen aus, durch die ein Bächlein floss. Zur Sicherheit legten sie zwei Seen an, einen großen zum Schwimmen und einen kleinen zum Planschen, denn sie wussten nicht, ob der Drache lieber schwamm oder planschte. Zum Schluss bauten sie einen kleinen Wasserfall als Rutsche. Die großen Wiesen, auf denen der Drache starten und landen konnte, waren gesäumt mit frisch gepflanzten Bäumen und Sträuchern. Nur mit der Höhle hatten sie große Probleme. Es gab einen Felsen, aber die Höhle musste man erst graben.
Als der Berater auf dem Drachen landete, war alles, einschließlich des Festes, gut vorbereitet. Der schwarze Schatten überflog den Schlosspark einige Male und landete dann jählings. Alenka verkündete vor den geladenen Gästen aus den benachbarten Königreichen stolz, dies sei ihr neues Haustier. Wie schrecklich hatte sie sich getäuscht. Der Berater vergaß, der Familie mitzuteilen, und vielleicht wollte er es auch nicht, dass dieser Drache als erster von allen sieben aus dem Ei gekrochen war. Diese Ältesten waren von unerschöpflicher Energie, voller Eigensinn und ausgestattet mit gefährlichem Einfallsreichtum. „Unser mutwilliger kleiner Drache“ nannte ihn seine siebenköpfige Mutter und liebte vor allem seine Streiche und Mutwilligkeiten.
Beim Anflug auf sein neues Zuhause begriff der kleine mutwillige Drache, dass ihn die Einheimischen grüßten. Er entschied, das wolle er auch tun. Mit großer Geschwindigkeit flog er den Gästen entgegen, bedrohlich dicht über dem festlich gedeckten Tisch winkte er mit seinen Flügeln und spie Feuer, so dass sofort ein großes Durcheinander entstand. Die Damen begannen zu kreischen, und die Herren sammelten ihre heruntergewehten Hüte ein. Die Gäste machten sich bald aus dem Staub. Und der König begann erstmals darüber nachzudenken, warum gerade dieser Drache so billig zu haben war.
Und das war bei weitem nicht die letzte Missetat des kleinen Drachen. Anstelle eines Grußes blies er seinen neuen Besitzern seinen Feueratem ins Gesicht. Wer dachte, der Drache würde wie seine Vorfahren in einer Höhle leben, weit gefehlt. Vergesst es mal ganz schnell. Er gewöhnte sich an, auf dem Schlosshof zu schlafen, wo man ihm in aller Eile ein Lager aus feinsten weichen Heu bereitete. Zu Essen brachte man ihm einen Wagen voll Beeren mit Eis, weil ihm nach dem Feuerspucken der Hals ein wenig kratzte. Und nach einem langen Flug erfrischte er sich in dem Teich, den man für ihn zum Baden vorbereitet hatte.
Und so begannen in unserem kleinen Königreich wirklich große Sorgen. Da wusste man noch nicht, wie es der kleine mutwillige Drache mit dem Einschlafen hielt. Wenn alle Schlossbewohner schon längst schlafen wollten, rief der kleine Drache auf dem Schlosshof unentwegt die Diener. Mal wollte er etwas trinken, mal etwas essen. Und wenn ihm schon nichts mehr einfiel, jagte er die Mäuse. Dabei produzierte er mit seinen Krallen ein schreckliches Geräusch. Stellt euch vor, wie schrecklich es klingt, wenn er mit seinen Krallen über den Steinfußboden schabte.
„Ich wusste es von Anfang an, dass mit dem Drachen etwas nicht in Ordnung ist“, sagte der König nach ein paar Tagen. „Was Sie hier angeschleppt haben, Herr Berater, so etwas Ungezogenes, Verwöhntes und Freches habe ich noch nie gesehen.“ Und der Berater musste mit der Wahrheit rausrücken, dass dieser Drache der erste von sieben sei und wohl eine besondere Hand brauche. Man müsse jemanden finden, der diesen kleinen Drachen zähme, dann würde dieser schon immer gehorchen. So versuchten sie alles Mögliche, aber der Drache hörte auf niemanden und trieb weiter Unfug. Die Höhle, die man für ihn gegraben hatte, mussten sie sprengen, denn jedes Mal, wenn der kleine Drache nur in die Nähe kam, spie er so schrecklich Feuer, dass man befürchtete, er würde das ganze Königreich abbrennen.
Die Prinzessin war sehr traurig, dass sie mit dem Drachen nicht spielen konnte. Zum Beispiel, wenn sie mit ihm im See am Schloss baden wollte, planschte der kleine Drache so sehr mit dem Wasser, bis keines mehr drin war, aber das reichte ihm nicht, er planschte weiter im Schlamm, bis das Schloss und seine Umgebung mit großen braunen Flecken übersät war. Das ganze Königreich fragte sich ängstlich, was dem mutwilligen Tunichtgut nun wieder einfallen würde. Und so ließ der König verkünden, dass derjenige, der den Drachen zähme, das halbe Königreich bekäme. Aber wisst ihr, das Königreich war ja nun wirklich nicht groß, dafür aber so schön und malerisch. Deshalb kamen eine Menge Leute, Arme, Reiche, Kluge und Dumme, Einheimische und Fremde aus fernen Ländern. Aber niemand konnte den kleinen mutwilligen Drachen zähmen.
Eines Tages versuchte Tonda aus einem Dorf unterhalb des Schlosses sein Glück. Er brachte ein Buch voller Märchen mit, einen Kornbeutel mit Gemüse, das sein Vieh nicht fraß und viel gute Laune. Als erstes fragte er den Drachen, wohin er kürzlich geflogen sei. Der Drachen dachte nach, aber es fiel ihm nicht mehr ein. „Na ja, das klingt ja so, als hättest du große Lust auf einen Ausflug, wie?“, zwinkerte Tonda dem kleinen Drachen verschmitzt zu, und schon kletterte er auf den Drachen und schoooon flogen sie los. Den ganzen Tag war von ihnen nichts zu hören und zu sehen, erst abends kehrten sie zurück in den Park. Der Drachen jammerte, was für eine schreeeeckliche Reise es gewesen sei, dass sich ihm fast der Magen umdrehe. Tonda versprach ihm ein Abendessen, wie er es noch nicht gesehen hätte, aber vorher müsse er sich ordentlich waschen. Und der Drache, Wunder über Wunder, ging zum See, und diesmal brauchte es keinen Schutz vor Überschwemmung. Dann schlurfte er zurück zu Tonda, dieser schüttelte den Inhalt des Kornsacks an den Brunnen. Der Drache fraß alles in Ruhe, dann brachte Tonda den kleinen Drachen zu seinem Schlafplatz auf dem Schlosshof. Dort las er ihm ein Märchen vor, streichelte den kleinen Drachen, wünschte ihm eine gute Nacht, und sie gingen schlafen. Am Morgen wünschten sie sich einen guten Morgen, und der Drachen erhielt einen weiteren Beutel mit Gemüse, den man in der Küche für ihn vorbereitet hatte. Als Dankeschön half der Drache, in der Küche Feuer zu machen. So ging es Tag für Tag, der kleine Drache lernte alles Mögliche und bekam dafür seine Belohnung. So wurde er sehr nützlich für das Königreich. irgendwann schloss sich auch die Prinzessin an Tonda und den Drachen an und begleitete sie auf Schritt und Tritt.
Als der König und die Königin sahen, wie gut sich Alenka und Tonda verstanden und wie der Drache anfing, Gutes zu tun, bekam Tonda das halbe Königreich und die Prinzessin dazu zur Frau.
die deutsche Übersetzung kommt von Beata und Rü von Hanxleden
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